Landschaftsmaler

Wie es einem Freiluftmaler ergehen konnte, hat Karl Orth in seinem Tagebuch 1 beschrieben:

(Quelle: Orth, Karl. Tagebuch 1, unveröffentlichtes Manuskript ca. 1918)  

"Abenteuer eines Landschaftsmalers

 

Die meisten Laien haben von den Schwierigkeiten, mit denen die Landschaftsmaler oft zu kämpfen haben, keine Ahnung. Er geht halt einfach ins Freie, stellt seine Staffelei auf u. malt, denken sie. Aber da gibt es allerlei unangenehme Dinge, die dazwischen kommen. Man hat z.B. ein Bild zu malen begonnen, bei dem eine blühende Wiese den Hauptreiz bildet. In dieses Wunder von Farbe, Form u. Luft möchte man sich vertiefen, da auf einmal kommt der Bauer mit der Sense und in ein paar Stunden liegt die ganze Herrlichkeit am Boden. Manche Bauern lassen ja auch mit sich reden u. warten mit dem Abmähen einer Wiese oder eines Getreidefeldes noch ein paar Tage, aber das sind Ausnahmen. Es gibt auch recht grobe, die – wie es Maler Keitel bei Blutenburg passiert ist – den harmlosen Maler gleich mit der Heugabel fortzujagen drohen. Sehr in die Quere können einem auch ihre Hunde kommen, wenn sie plötzlich aus den Bauernhöfen herausschießen. Auch anderes Viehzeug wie z.B. Stiere in Kuhherden sind eine manchmal bedenkliche Beigabe. Baer hat mir von einem Fall erzählt, wo einer seiner Bekannten während des Malens von einem Stier angefallen wurde. Er versetzte dem mit gesenkten Hörnern auf ihn zukommenden Tier mit seinem schweren Wasserpinsel einen Tritt auf den Kopf, daß es verdutzt um sich schaute, während der Maler das weite suchte. Es ist ein Glück, wenn dann ein Zaun in der Nähe ist, über den man sich zurückziehen kann. Bei Blutenburg haben mich einmal während ich am Würmufer saß u. zeichnete, 2 Hunde angefallen, darunter ein großer Entenhund, einer kam von vorn, einer von hinten. Rasch gefaßt schlug ich mit meiner Zeichenmappe u. meinem Malstuhl um mich. Aber ich kam auf dem abschüssigen Boden ins Rutschen u. schon packte mich der große Hund u. biß mir in den Oberschenkel. Auf meine Hilferufe kamen die Klosterschwestern herbei und befreiten mich von den Tieren. Die Wunde blutete heilte aber zum Glück gut. Es war ein großer Leichtsinn gewesen, den gefährlichen Hund von d. Schwestern von der Kette ins Freie zu lassen.- Frau Prof. Baer haben Kinder einmal einen Schabernack gespielt. Als sie an einer abschüssigen Stelle eines Bachufers malte, versuchten sie hinter ihr ein Häufchen Pulver abzubrennen, um sie zu erschrecken und zum Ausrutschen ins Wasser zu bringen. Sie wurde jedoch noch rechtzeitig auf das geplante Attentat aufmerksam. - Schulkinder können einen überhaupt sehr bei der Arbeit stören. Sie umringen einen manchmal in Schaaren und machen ihre Bemerkungen über den Maler u. seine Malerei. Auch kommt es vor, daß besonders freche die Leinwand als Zielscheibe von Steinwürfen benützen. - Wie der Maler manchmal mit den Elementen kämpfen muß, werde ich 1907 gelegentlich meines Studienaufenthalts in Indersdorf erzählen. Um an meinen Standort zu kommen war ich deshalb genötigt eine längere Strecke durchs Wasser zu waten. An dem betr. Platz selbst habe ich mir aus Balken u. Brettern ein Podium gebaut. - Das Wetter macht einem bei der Arbeit am häufigsten einen Strich durch die Rechnung. Regentage zwingen einen zum Unterbrechen der Arbeit; verregnete Wochen können einem einen ganzen Studienaufenthalt verderben. An den Osterseen u. dem Chiemsee bin ich ein paar mal bis auf die Haut durchnäßt von der Arbeit nach Hause gekommen. Auch große Hitze, bei der noch dazu die Farben auf der Palette wie Butter schmelzen kann einem schwer zu schaffen machen. Bedenkt man noch dazu den ewigen Wechsel der Beleuchtung u. Stimmung auch die sonstigen Veränderungen in der Natur wie Laubfall oder zu rasches Grünwerden, so wird man wohl einsehen daß es mit der Landschaftsmalerei nicht so einfach ist ..."

 

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