Bei der Cappeler Mühle

Quelle: Weiser, Claudia. Bei der Cappeler Mühle von Otto Piltz. 

"Symbolische Werte des Bildes

Im Mittelpunkt des Geschehens bei der Mühle steht das Päarchen, welches aufgrund von Haltung und Gestik eine Interpretation erlaubt. Die Wege beider kreuzen sich und führen zueinander. Beide unterhalten sich kokett miteinander, was sich wiederum in der Mimik widerspiegelt. Der Müller baut sich selbstbewußt vor dem Mädchen auf und versperrt ihr den Weg. Er scheint ihr gerade ein Kompliment gemacht zu haben, da sie den Kopf leicht zur Seite legt, glücklich lächelt

Bei der Mühle in Cappel (1882), Öl auf Holz, 64*48,5, "O.Piltz" u.r., Marburg,  Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

hat schon lange sehnsüchtig auf diese Begegnung gewartet. Es steht fest, daß er ihr imponieren möchte und charmant um sie wirbt. Vielleicht nutzt er aber jede Gelegenheit sich bei den Mädchen im Dorf beliebt zu machen. Mit zu dieser Personengruppe gehört der weiße Spitz, der interessiert beiden zuhört. Hinter dem unscheinbaren Hund verbirgt sich ein symbolischer Wert. Seit der Antike (Homer) wird der Hund als Begleiter des Menschen beschrieben und als Allegorie der Treue (Fides) dargestellt[1]. Ebenfalls steht er als Symbol des Schutzes[2]. Es ist unklar, zu welcher Person der Hund gehört. Vielleicht beschützt er das Mädchen und begleitet sie auf dem Weg zur Mühle. Betrachtet man die Führung der Pfade und dazu die Stellung der Personen, so kommt das Mädchen von links. Aus der entgegengesetzten Richtung erscheint der Müller. Der Spitz hingegen folgte dem Weg, in den die anderen münden, und der schließlich in die linke untere Ecke läuft. Dieser Pfad führt die Personen zusammen. Ihre Lebenswege kreuzen sich und werden vereint. Das Bündnis basiert auf Treue.

 

Die Bedeutung des Bildes

Das farbenfrohe Konversationsstück “Bei der Cappeler Mühle“ von Otto Piltz weist einen bürgerlichen Charakter auf. Durch den auffallend weißen Spitz zu Füßen des Paares versucht der Künstler moralisierend auf den Betrachter einzuwirken. Der moralische Wert von Treue versteckt sich dahinter[3]. Ähnlich wie in Kalckreuths figürlichen Kompositionen fällt auch diese Szene des Volkslebens unter den Begriff der symbolischen Malerei. Die Zusammenstellung des Bildes ist vorwiegend naturalistisch aufgefaßt[4]. Einerseits erscheint das Kunstwerk als traditionelles Beispiel der Genremalerei, die gefühlvoll die Menschlichkeit und Alltäglichkeit schildert. Dennoch verbirgt sich andererseits eine Art Spurensicherung dahinter. Es bewahrt die Erinnerung an die Cappeler Tracht und die Steinmühle[5]. So schlicht das Bild trotz der vielen Details wirkt, verstecken sich sowohl geschichtliche, traditionelle wie auch symbolische Aspekte dahinter. Für Cappel besitzt das Werk einen besonderen Wert, da es nur wenige wertvolle Darstellungen der Ortschaft gibt. Es ist als einziges Piltzsches Gemälde zum Herstellungsort zurückgekehrt und erinnert nun an frühere Zeiten."

 


[1] Kirschbaum, Engelbert, Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. Band, Fraiburg,, 1970, S. 334.

[2] Wilhelmi, Christoph, Handbuch der Symbole, Berlin, 1980, S.193.

[3] Jahn, Johannes, Wörterbuch der Kunst, S.277.

[4] Thieme — Becker Künstlerlexikon, Band 17, S.48.

[5] Lexikon der Kunst, Band II, S.694.

 

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