(Quelle: “Zeitschrift für bildende
Kunst“ 7. Band, 1872, S. 372f.) |
„In der permanenten Ausstellung der
Weimarer Kunstschule waren unlängst.... - Ferner war ausgestellt: „Ein
Kirchenchor“ von Piltz in Weimar, ein liebenswürdiges, gewinnendes Bild.
Die Handlung ist nur leichthin, aber für die komische Wirkung genügend
pointirt. Dem Maler schwebte der Gegensatz vor zwischen der Natur des
Singens, welches an sich der freieste, begeistertste Erguß des bewegten
Herzens ist, und den trivialen Hemmungen und Beeinträchtigungen, welche die
eigene Natur des Sängers oder der gleichgiltige und gemeine Sinn des
Nebenmenschen bereitet, oder der grausamen Nothwendigkeit, die ihn als
Zwangsarbeit erscheinen läßt, und er hat ihn ebenso mannichfaltig wie
charakteristisch zum Ausdruck gebracht. Der eine dieser Bauernjungen preßt
seine Begeisterung wie aus einer Knetmaschine zwischen Kinnladen hervor,
welche die vergeßliche Mutter Natur eigentlich zu Freßwerkzeugen
bestimmte, und die widernatürliche Anstrengung treibt dem holden Sänger
beinahe die Augen aus dem Kopfe. Ein anderer ergießt das Beten seiner Seele
aus mächtig verschwollenen Wangen heraus, die mit einem Tuche umwunden
sind; der Aermste ist vielmehr zum Stöhnen und Heulen als zum
Kirchengesange berechtigt. Und dergleichen mehr. Am stärksten bricht sich
der komische Gegensatz in der Haltung des Schulmeisters aus, in welchem die
Gruppe gipfelt. Er heftet seinen Blick auf drei lästerliche Bengel, die
sich schlechterdings nicht zur Höhe der Situation zu erheben vermögen und
Allotria treiben; und nun ist es höchst ergötzlich zu sehen, wie er mit
dem Munde seinen langathmigen Choral zur Ehre Gottes fortsingt, während
seine nierenprüfenden Scholarenaugen eine ganze Strafpredigt
herunterdonnern. Das breit und keck, aber liebevoll gemalte Bild wurde
sogleich vom Kunsthändler Sachse in Berlin angekauft. - ...“
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