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Carl
Bantzer schreibt diesen Artikel anlässlich der Ausstellung "Hessischer
Künstler" 1938. In diesem Jahr steht im Mittelpunkt der Ausstellung das
Werk von Otto Piltz.
(Quelle: Nr. 56 Oberhessische Zeitung, Marburg a.d.L.
Dienstag, den 6.März 1938)
Ausstellung
hessischer Künstler
Otto
Piltz
Es ist ein Verdienst des Leiters des
Universitätssmuseums,
Herrn Dr. Kippenberger, daß er in den alljährlich stattfindenden Ausstellungen
hessischer Künstler, in Hessen geborener und in Hessen schaffender, nicht nur
die lebenden zu Worte kommen läßt, sondern auch Werte Verstorbener, deren
Schaffen für Hessen von Bedeutung ist, zeigt. Im vorigen Jahre war es der in
Marburg geborene Maler Professor Wilhelm Ritter,
zu dessen ehrenden Gedächtnis die Museumsleitung eine größere Anzahl seiner
Werke in der Winterausstellung vereinigt hatte. In diesem Jahre ist es Professor
Otto Piltz, von dem eine Reihe seiner vortrefflichen Gemälde in der Ausstellung
zu sehen sind.
Otto Piltz (geb. am 28.06.1846 in Allstedt in Thüringen)
verbrachte den größten Teil seines Lebens in Weimar, das in den 70er und 80er
Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die Frische und Unmittelbarkeit der
Naturanschauung in der deutschen Landschafts- und Sittenbildmalerei eine führende
Rolle spielte. Diese Stellung hatte Weimar durch die Fürsorge seines Großherzogs
Karl Alexander erlangt, der bedeutende Künstler wie Stanislaus Graf Kalkreuth,
als Direktor der Kunstschule, U. Böcklin, Fr. Lenbach, den Bildhauer Reinhold
Begas, Th. Hagen, U. Brendel und den belgischen Maler Ferd. Baumels, dessen Schüler
Max Liebermann eine Zeitlang war und der später noch lange Jahre ein
Meisteratelier an der Dresdner Kunstakademie leitete, und weiter noch Struns,
Linnig, Vater und Sohn, an seine Kunstschule berufen hatte. Von diesen sind
allerdings mit Ausnahme von Graf Kalkreuth, Hagen und Brensel die meisten nur
wenige Jahre in Weimar verblieben.
Otto Piltz malte zunächst Sittenbilder aus seiner thüringischen
Heimat und stand daher teilweise, wie das große Bild
der thüringischen Backstube in der Ausstellung es zeigt, malerisch unter
dem Einfluß Gustave Courbets, der sich auch bei anderen deutschen Malern
bemerkbar machte und in Hans Thoma‘ s „.Raufenden Jungen“ und Max
Liebermanns „Gänserupferinnen“
(von 1872) besonders stark hervortritt. Das Bild der Backstube das von großer
Schönheit des Gesamttons, reizvoller Verteilung von Hell und Dunkel und
Piltzscher Echtheit der Menschenschilderung ist, zeigt bereits volle
Verherrlichung der technischen Ausdrucksmittel, die sich dann zu größter
Freiheit steigerte. Piltz befreite sich aber sehr bald von diesem Einfluß und
seine späteren Bilder besitzen alle die große Frische und Unmittelbarkeit der
Naturanschauung, welche die Weimarer Kunst damals auszeichnete. Ein gutes Bild
dieser Naturanschauung ist die schöne Landschaft Baron von Gleichen - Rußwurms,
welches als Leihgabe der Nationalgalerie im Universitätsmuseum hängt. In den
70er Jahren, als Willingshausen durch die Bilder von Ludwig Knaus einen Ruf als
deutscher Studienplatz bekommen und viele Maler angezogen hatte, hat auch Otto
Piltz dort einige Bilder gemalt. Im allgemeinen entnahm er aber noch lange
seiner Heimat die Stoffe zu seinen Bildern, welche alle von ungewöhnlicher
Lebendigkeit und Echtheit der darin geschilderten Menschen sind. Eine große
Vorliebe hatte Piltz für Bilder aus der Musiker Schule in Sömmerda in Thüringen,
wo in einer Turmstube ein Musiker junge Leute im Spielen aller Instrumente
Unterricht erteilte. Das Bild des jungen
Flötenbläsers in der Ausstellung ist eines dieser Bilder. Der Sommer 1882brachte Piltz eine Veränderung seines Tätigkeitsgebietes. Die
Marburger Maler Wilhelm Ritter und Fritz Klingelhöfer hatten die vergangenen
Wintermonate in Weimar zugebracht und waren in nähere Beziehungen zu den
dortigen Malern getreten. Was sie diesen von Marburg und den Bauern der Umgebung
erzählten, veranlaßte eine Anzahl von ihnen im Sommer 1882 mit nach Marburg zu
gehen, um dort zu arbeiten. Es waren die Landschaftsmaler Th. Hagen, der berühmte
Lehrer der Weimarer Kunstschule Karl Tübbeke, Koken sowie die Figurenmaler Otto
Piltz und Franz Sturtzkopf. Hagen und Tübbeke malten Bilder von Marburg, Koken
Landschaften, Piltz und Sturtzkopf aber mieteten sich in Cappel beim Gastwirt
Ronimi
ein, um Menschen, Piltz vor allem Bauern zu malen. Ihn reizte das malerische
Innere - mit den Bauern im sonntäglichen Staat - beim Gottesdienst oder anderen
kirchlichen Feiern.
So malte er z. B. die alten Cappeler
Männer auf der Empore während
des Gottesdienstes, eine Taufe
in der Kirche und vielleicht als schönstes Bild von allen, die Frauen
beim Vaterunser im Gottesdienst. Im Dämmerlicht der mit Toten-Kränzen und
Toten-Kronen geschmückten Kirche stehen die Frauen zwischen den Bänken in
voller Andacht, die auf jedem Gesicht in besonderer Weise zum Ausdruck kommt.
Mit größter Liebe und schärfster Beobachtung jeder Einzelnen hat Piltz hier
den kirchlichen Vorgang so eindringlich geschildert, daß das Bild auch den
Beschauer zur Andacht zwingt. Alle mit größter Feinheit gemalten Köpfe zeigen
den einheitlichen oberhessischen Typus. Von Bedeutung ist das Bild auch für die
Trachtenkunde Oberhessens, denn es zeigt die große Veränderung, die seit
seiner Entstehung bis zum Jahre 1882 in der Kopfbedeckung der Frauen vor sich
gegangen ist. Aus dem damals sehr großen „Stülpchen“ und dem noch größeren
„Schleier“ mit den schönsten im Dorfe gestickten Verzierungen ist nur ein
kleines flach zusammengedrücktes Stülpchen übrig geblieben, das nur noch ein
Kopfschmuck ist, den man fertig in der Stadt kauft. Es ist sehr zu beklagen, daß
dieses wertvolle Bild für das Museum ebenso wenig wie das in jeder Hinsicht als
schöne Malerei und als Ausdruck, hervorragende Bild eines Cappeler Kindes nicht
erworben werden kann, weil beide unverkäuflich sind.Von Cappeler Bildern zeigt
die Ausstellung noch eins von der Cappeler
Mühle, der Steinmühle, auf dem neben dem Mühlrad der Müllersbursche sich
mit einem jungen Mädchen unterhält, und das Bild einer Pferdekoppel. Von
anderen in der Cappeler Zeit entstandenen Bildern ist mir nur noch eins in
Erinnerung: Die Familie des Cappeler
Schäfers Becker, der, wie auch heute noch der Cappeler Schäfer, in der
alten Schäferei am Glaskopf wohnte, beim Nachmittagskaffe. Piltz erzählt mit
großer Freude, wie köstlich es gewesen sei, beim Malen mit anzusehen, wie den
Kindern die Schnutznasen in die Kaffeetasse gelaufen seien. Zur gleichen Zeit
malte Sturzkopf unten im Schafstall eine „heilige Familie“. Die weiteren
Piltzschen Bilder der Ausstellung sind nicht in Hessen entstanden, vermögen
aber den Eindruck von Piltz großer Kunst noch zu verstärken. Durch den
Berliner Kunsthändler Lepke sind die Piltzschen Bilder jener Zeit zum größten
Teil nach Amerika gewandert und deshalb in Deutschland eine große Seltenheit
geworden. in Cappel war Piltz immer von seiner Familie begleitet und hatte zu
den Dorfbewohnern das freundschaftlichste Verhältnis. Er steht bei allen, die
ihn kannten, heute noch in bester Erinnerung. 1884 war er zum letzten Mal in
Cappel. 1886 siedelte er von Weimar nach Berlin über und von da 1891 nach
Pasing bei München. wo er 1910 starb.
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Über
die Vorbereitungen Carl Bantzers zu dieser Ausstellung schreibt Helene Bantzer
an Lore Bantzer:
Marburg,
den 28.2.1938
Ich
weiß gar nicht einmal, wann ich Euch zuletzt schrieb. Vielleicht sogar noch vor
Eröffnung der Ausstellung am 13. d. Mts.? - Das waren besonders für Papa sehr
anstrengende Tage. Er malte am Sonnab. noch bis 12 an dem einen Bild, u. um 12
1/4 kam das Auto, um uns mit dem Bild zu holen. - Ein solches etwas aufgeregtes
Malen bis zuletzt strengt ihn natürlich immer sehr an. - Frau Thielmann und
Mariannchen waren 2 Tage bei uns, dann kamen Hanuschs auf 4 Tage, einen
Nachmittag waren wir mit Hanusch in Großfelden bei Franks u. Fr. Ubbelohde u.
gestern Mittag u. Nachmittag in Gießen, auch mit Hanusch. Das Ehepaar
Müller-Leutert hatte uns eingeladen. Er ist Maler u. hatte eine
Kollektivausstellung, die er Papa u. Hanusch zeigen wollte. Außerdem hatten wir
in diesen Tagen unsere Einkommenssteuererklärung zu schreiben. (.....) Im
Ganzen ist Papa aber doch entschieden wohler als wie im Herbst, u. er hat auch
eine gesündere Farbe. (....)
Die
Ausstellung ist wieder sehr schön u. interessant. Außer Otto Piltz haben
hauptsächlich ausgestellt: Papa, Hanusch, Giebel, Metz, Frank, Storm u.
Klippstein u. Dörrbecker, u. mit Zeichnungen u. sonstiger Grafik sind vertreten
"Tante Jetty", Kätelhön u. andere. Papa hat 5 Bilder. Den Goppelner
Hang, von dem ich schon schrieb, den Waldreiter, u. die beiden neuen Bilder
Buchenwald i. Frühling u. der Blick von der Arnshainer Höhe - und das
ausgezeichnete Bild von H. v. Schwertzell. (....)
(....)
Ich kann Arnolds Brief leider nicht holen, um ihn nochmal durchzulesen, da Papa
an s. Schreibtisch sitzt u. an einem Artikel über Otto Piltz schreibt u. da
wird er nicht gern gestört. (....)
(Quelle:
Andreas Bantzer (Hrsg.) Carl Bantzer - Ein Leben in Briefen. 2.
Auflage. Willingshausen 1998, S. 473 f.)
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