Carl Bantzer

Eintrag im Wikipedia: Carl Bantzer

 

Über die Bantzer-Ausstellung "Aufbruch und Tradition" 2002

 

Carl Bantzer schreibt diesen Artikel anlässlich der Ausstellung "Hessischer Künstler" 1938. In diesem Jahr steht im Mittelpunkt der Ausstellung das Werk von Otto Piltz. 

(Quelle: Nr. 56 Oberhessische Zeitung, Marburg a.d.L. Dienstag, den 6.März 1938)

Ausstellung hessischer Künstler  

Otto Piltz

Es ist ein Verdienst des Leiters des Universitätssmuseums, Herrn Dr. Kippenberger, daß er in den alljährlich stattfindenden Ausstellungen hessischer Künstler, in Hessen geborener und in Hessen schaffender, nicht nur die lebenden zu Worte kommen läßt, sondern auch Werte Verstorbener, deren Schaffen für Hessen von Bedeutung ist, zeigt. Im vorigen Jahre war es der in Marburg geborene Maler Professor Wilhelm Ritter, zu dessen ehrenden Gedächtnis die Museumsleitung eine größere Anzahl seiner Werke in der Winterausstellung vereinigt hatte. In diesem Jahre ist es Professor Otto Piltz, von dem eine Reihe seiner vortrefflichen Gemälde in der Ausstellung zu sehen sind.

Otto Piltz (geb. am 28.06.1846 in Allstedt in Thüringen) verbrachte den größten Teil seines Lebens in Weimar, das in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die Frische und Unmittelbarkeit der Naturanschauung in der deutschen Landschafts- und Sittenbildmalerei eine führende Rolle spielte. Diese Stellung hatte Weimar durch die Fürsorge seines Großherzogs Karl Alexander erlangt, der bedeutende Künstler wie Stanislaus Graf Kalkreuth, als Direktor der Kunstschule, U. Böcklin, Fr. Lenbach, den Bildhauer Reinhold Begas, Th. Hagen, U. Brendel und den belgischen Maler Ferd. Baumels, dessen Schüler Max Liebermann eine Zeitlang war und der später noch lange Jahre ein Meisteratelier an der Dresdner Kunstakademie leitete, und weiter noch Struns, Linnig, Vater und Sohn, an seine Kunstschule berufen hatte. Von diesen sind allerdings mit Ausnahme von Graf Kalkreuth, Hagen und Brensel die meisten nur wenige Jahre in Weimar verblieben.

Otto Piltz malte zunächst Sittenbilder aus seiner thüringischen Heimat und stand daher teilweise, wie das große Bild der thüringischen Backstube in der Ausstellung es zeigt, malerisch unter dem Einfluß Gustave Courbets, der sich auch bei anderen deutschen Malern bemerkbar machte und in Hans Thoma‘ s „.Raufenden Jungen“ und Max Liebermanns „Gänserupferinnen“ (von 1872) besonders stark hervortritt. Das Bild der Backstube das von großer Schönheit des Gesamttons, reizvoller Verteilung von Hell und Dunkel und Piltzscher Echtheit der Menschenschilderung ist, zeigt bereits volle Verherrlichung der technischen Ausdrucksmittel, die sich dann zu größter Freiheit steigerte. Piltz befreite sich aber sehr bald von diesem Einfluß und seine späteren Bilder besitzen alle die große Frische und Unmittelbarkeit der Naturanschauung, welche die Weimarer Kunst damals auszeichnete. Ein gutes Bild dieser Naturanschauung ist die schöne Landschaft Baron von Gleichen - Rußwurms, welches als Leihgabe der Nationalgalerie im Universitätsmuseum hängt. In den 70er Jahren, als Willingshausen durch die Bilder von Ludwig Knaus einen Ruf als deutscher Studienplatz bekommen und viele Maler angezogen hatte, hat auch Otto Piltz dort einige Bilder gemalt. Im allgemeinen entnahm er aber noch lange seiner Heimat die Stoffe zu seinen Bildern, welche alle von ungewöhnlicher Lebendigkeit und Echtheit der darin geschilderten Menschen sind. Eine große Vorliebe hatte Piltz für Bilder aus der Musiker Schule in Sömmerda in Thüringen, wo in einer Turmstube ein Musiker junge Leute im Spielen aller Instrumente Unterricht erteilte. Das Bild des jungen Flötenbläsers in der Ausstellung ist eines dieser Bilder. Der Sommer 1882[1] brachte Piltz eine Veränderung seines Tätigkeitsgebietes. Die Marburger Maler Wilhelm Ritter und Fritz Klingelhöfer hatten die vergangenen Wintermonate in Weimar zugebracht und waren in nähere Beziehungen zu den dortigen Malern getreten. Was sie diesen von Marburg und den Bauern der Umgebung erzählten, veranlaßte eine Anzahl von ihnen im Sommer 1882 mit nach Marburg zu gehen, um dort zu arbeiten. Es waren die Landschaftsmaler Th. Hagen, der berühmte Lehrer der Weimarer Kunstschule Karl Tübbeke, Koken sowie die Figurenmaler Otto Piltz und Franz Sturtzkopf. Hagen und Tübbeke malten Bilder von Marburg, Koken Landschaften, Piltz und Sturtzkopf aber mieteten sich in Cappel beim Gastwirt Ronimi[2] ein, um Menschen, Piltz vor allem Bauern zu malen. Ihn reizte das malerische Innere - mit den Bauern im sonntäglichen Staat - beim Gottesdienst oder anderen kirchlichen Feiern.

So malte er z. B. die alten Cappeler Männer auf der Empore während des Gottesdienstes, eine Taufe in der Kirche und vielleicht als schönstes Bild von allen, die Frauen beim Vaterunser im Gottesdienst. Im Dämmerlicht der mit Toten-Kränzen und Toten-Kronen geschmückten Kirche stehen die Frauen zwischen den Bänken in voller Andacht, die auf jedem Gesicht in besonderer Weise zum Ausdruck kommt. Mit größter Liebe und schärfster Beobachtung jeder Einzelnen hat Piltz hier den kirchlichen Vorgang so eindringlich geschildert, daß das Bild auch den Beschauer zur Andacht zwingt. Alle mit größter Feinheit gemalten Köpfe zeigen den einheitlichen oberhessischen Typus. Von Bedeutung ist das Bild auch für die Trachtenkunde Oberhessens, denn es zeigt die große Veränderung, die seit seiner Entstehung bis zum Jahre 1882 in der Kopfbedeckung der Frauen vor sich gegangen ist. Aus dem damals sehr großen „Stülpchen“ und dem noch größeren „Schleier“ mit den schönsten im Dorfe gestickten Verzierungen ist nur ein kleines flach zusammengedrücktes Stülpchen übrig geblieben, das nur noch ein Kopfschmuck ist, den man fertig in der Stadt kauft. Es ist sehr zu beklagen, daß dieses wertvolle Bild für das Museum ebenso wenig wie das in jeder Hinsicht als schöne Malerei und als Ausdruck, hervorragende Bild eines Cappeler Kindes nicht erworben werden kann, weil beide unverkäuflich sind.Von Cappeler Bildern zeigt die Ausstellung noch eins von der Cappeler Mühle, der Steinmühle, auf dem neben dem Mühlrad der Müllersbursche sich mit einem jungen Mädchen unterhält, und das Bild einer Pferdekoppel. Von anderen in der Cappeler Zeit entstandenen Bildern ist mir nur noch eins in Erinnerung: Die Familie des Cappeler Schäfers Becker, der, wie auch heute noch der Cappeler Schäfer, in der alten Schäferei am Glaskopf wohnte, beim Nachmittagskaffe. Piltz erzählt mit großer Freude, wie köstlich es gewesen sei, beim Malen mit anzusehen, wie den Kindern die Schnutznasen in die Kaffeetasse gelaufen seien. Zur gleichen Zeit malte Sturzkopf unten im Schafstall eine „heilige Familie“. Die weiteren Piltzschen Bilder der Ausstellung sind nicht in Hessen entstanden, vermögen aber den Eindruck von Piltz großer Kunst noch zu verstärken. Durch den Berliner Kunsthändler Lepke sind die Piltzschen Bilder jener Zeit zum größten Teil nach Amerika gewandert und deshalb in Deutschland eine große Seltenheit geworden. in Cappel war Piltz immer von seiner Familie begleitet und hatte zu den Dorfbewohnern das freundschaftlichste Verhältnis. Er steht bei allen, die ihn kannten, heute noch in bester Erinnerung. 1884 war er zum letzten Mal in Cappel. 1886 siedelte er von Weimar nach Berlin über und von da 1891 nach Pasing bei München. wo er 1910 starb.

 

[1] Einige Piltz-Gemälde aus Cappel sind vor 1882 datiert, daraus ist zu entnehmen, dass er bereits ab 1879 in Cappel tätig war.

[2] Heute Gasthof und Hotel Carle

 

Über die Vorbereitungen Carl Bantzers zu dieser Ausstellung schreibt Helene Bantzer an Lore Bantzer:

Marburg, den 28.2.1938

Ich weiß gar nicht einmal, wann ich Euch zuletzt schrieb. Vielleicht sogar noch vor Eröffnung der Ausstellung am 13. d. Mts.? - Das waren besonders für Papa sehr anstrengende Tage. Er malte am Sonnab. noch bis 12 an dem einen Bild, u. um 12 1/4 kam das Auto, um uns mit dem Bild zu holen. - Ein solches etwas aufgeregtes Malen bis zuletzt strengt ihn natürlich immer sehr an. - Frau Thielmann und Mariannchen waren 2 Tage bei uns, dann kamen Hanuschs auf 4 Tage, einen Nachmittag waren wir mit Hanusch in Großfelden bei Franks u. Fr. Ubbelohde u. gestern Mittag u. Nachmittag in Gießen, auch mit Hanusch. Das Ehepaar Müller-Leutert hatte uns eingeladen. Er ist Maler u. hatte eine Kollektivausstellung, die er Papa u. Hanusch zeigen wollte. Außerdem hatten wir in diesen Tagen unsere Einkommenssteuererklärung zu schreiben. (.....) Im Ganzen ist Papa aber doch entschieden wohler als wie im Herbst, u. er hat auch eine gesündere Farbe. (....)

Die Ausstellung ist wieder sehr schön u. interessant. Außer Otto Piltz haben hauptsächlich ausgestellt: Papa, Hanusch, Giebel, Metz, Frank, Storm u. Klippstein u. Dörrbecker, u. mit Zeichnungen u. sonstiger Grafik sind vertreten "Tante Jetty", Kätelhön u. andere. Papa hat 5 Bilder. Den Goppelner Hang, von dem ich schon schrieb, den Waldreiter, u. die beiden neuen Bilder Buchenwald i. Frühling u. der Blick von der Arnshainer Höhe - und das ausgezeichnete Bild von H. v. Schwertzell. (....)

(....) Ich kann Arnolds Brief leider nicht holen, um ihn nochmal durchzulesen, da Papa an s. Schreibtisch sitzt u. an einem Artikel über Otto Piltz schreibt u. da wird er nicht gern gestört. (....)

(Quelle: Andreas Bantzer (Hrsg.) Carl Bantzer -  Ein Leben in Briefen. 2. Auflage. Willingshausen 1998, S. 473 f.)

 

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