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Anfang Juni 1910 unternahm Otto Piltz wieder eine mehrwöchige Studienfahrt
nach Indersdorf. Am 16. 6. schrieb er an seine Tochter Marie:
"....Durch die Ausstellungsqualen war ich ganz nervös
geworden, genug, das Bild hängt, auch nicht schlecht, doch gefällt es mir gar
nicht wird auch kein Interesse erregen. Danach hatte mich eine Apathie gepackt
daß ich ganz thatenlos war! Einen mir passenden Studienplatz auf meiner Radtour
fand ich nicht, so wurde nun ein Besuch in Indersdorf wirklich zum Segen. Seit 8
Tagen bin ich hier, male natürlich im Kloster und bin da zu meiner Freude ein
wirklich willkommener Gast.
Angefangen habe ich ein Bild, ähnlich dem, was Heinemann
gekauft hat, habe außerdem verschiedene wirklich gute Motive gefunden. Hauptsächlich
leidet mich die Absicht etwas zu malen um verkaufen zu können.....
.......Dazu brauche ich hier wenig Geld, Modelle habe ich
fast umsonst und eine Lust zur Arbeit wächst mit jedem Tage. Doch habe ich mir
vorgenommen so ruhig wie möglich und nicht wie wie wie verrückt zu arbeiten.
Im voriger Woche hatte ich ein kleines Maleur, im Badehause welches sehr
ramboniert war stieß ich mir einen Nagel unter Wasser im Fuß, die Sache habe
ich gleich ordentlich behandelt und heute kann ich die Stiefel wieder benutzen.
Vor allen Dingen schlafe ich hier gut, habe heute Nacht
sogar ein Gewitter nicht gehört, wegen mir meine Lieben braucht Ihr Euch Sorgen
also nicht zu machen....."
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und am 12.7.1910 schreibt er an Marie, seinen Schwiegersohn
Wilhelm Büning und seiner Schwägerin Anna Ritter:
"Krankenhaus Kloster
Indersdorf Dienstag
Meine liebe, liebe Muli!
Heilige Anna! Einziger Nährvater Wilhelm!
Kinder! Das ist der erste Brief welchen ich schreibe um
Euch klaren Wein einzuschenken. Alles ist natürlich in der Welt, der Mensch muß
sterben und zu mir sind die Vorboten allzu ernstlich gekommen. Vor einiger Zeit
schon nahm mich „Freund Hein“ im Atelier sitzend ohne alle Veranlassung in
den Arm, wo ich nicht umhin konnte an unseren Freund Keitel und
Gussow zu
denken. Davon erholte ich mich mit Lottens Hilfe bald.
Ueberhaupt fühlte ich schon das ganze Frühjahr eine
gewisse Mattigkeit, mangelde Energie und ewig wechselnde Nervenschmerzen mit
Rheumathiesmus zu vergleichen.
Eine elegische philosophische Stimmung war mir überhaupt
eigen; der Darlingmann von Volendam hatte abgetaucht. Einige Zeit trug ich mich
sogar mit dem Gedanken Memoiren zu schreiben, unbewusst stellt man sich aber da
in bengalisches Licht und
wiederstrebte deshalb; überzeugt, Gleichgültigkeit war Trumpf. So schien ich
mir endlich in Indersdorf recht leidlich zu gefallen, auch machten mir meine
angefangenen Arbeiten Spaß, da, übermorgen werden es 14 Tage, kam das Verhängnis,
gegen morgen überfiel mich eine Herzaffektion, derart, daß ich zappelte wie
ein Karpfen an der Angel. Sofort brachte mich der Arzt ins Krankenhaus wo ich
die aufmerksamste Pflege genieße. Die ersten Tage waren furchtbar und glaube
ich daß mein Wunsch jetzt grad nicht zu sterben wol that weil ich zu der Zeit
unseren guten Wilhelm gerad auf der Studienreise wußte. Heute bin ich geradezu
erfreut, daß ich noch lebe. Uebrigens habe ich von Wilhelm aus England eine
Karte, ich habe ihm beruhigend geschrieben. Diese Zeilen schreibe ich bei schönstem
Wetter in dem kleinen Hausgarten des Krankenhauses, man bedient mich wie einen König
und Sorge wegen Pflege u.s.w. braucht Ihr nicht zu haben. Die letzten Tage bin
ich nachmittags aufgestanden und kräftige ich mich zusehends, zumal heute, da
ich die erste Nacht leidlich geschlafen habe. Unmöglich könnte ich mich in
Pasing so schnell erholen und bleibe trotz Heckenstallers Wunsch sobald wie möglich
heim zu kommen, ruhig hier. Wenn ich wieder schreibe zähle ich auf, was mir die
rührenden Schwestern bieten, es ist einfach unglaublich, dabei kostet mir der
Tag 3 M. und habe ein Separatzimmer. Der Befund des Doktors ist sehr
befriedigend, auch der Kreisarzt von Dachau hat mich untersucht. Einen
Herzfehler habe ich auf jedenfall, derselbe sei eben schon lang vorhanden. Die
Veranlassung dazu ist vor Jahren der Sonnenstich in Schongau gewesen, dazu
gesellt sich wol noch etwas „Arterienverkalkung“. So lieben Kinder!
habt Ihr die wahrheitsgetreue Sache; an mir soll es nicht fehlen mich
sehr zu schonen um Euch nicht allzu bald wieder zu erschrecken. Gehabt euch nur
recht wohl und regt Euch wegen mir gar nicht auf zumal meine liebe Muli! Bitte
verlangt nicht von mir viel zu schreiben, es strengt mich riesig an.
E. liebes Öttchen..."
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