Doris Edler hat in ihrer Dissertation, Vergessene
Bilder, die Motivwelt der Genremaler systematisiert und Kategorien gebildet.
Werke typischer Vertreter der Genremalerei hat sie beispielhaft
zugeordnet.
Die Einteilung von Doris Edler mache ich mir zu eigen, um die
Motivwelt von Otto Piltz zu strukturieren. Den einzelnen Motivgruppen
stelle ich jeweils Zitate aus ihrem Werk voraus.
An der Zuordnung der Beispiele zu den Kategorien ist
zu erkennen, wo er seine Schwerpunkte setzte. Einige Werke lassen sich mehreren
Gruppen zuordnen, andere wiederum finden in diesen Kategorien keine
Entsprechung.
Zitate entnommen: Doris Edler, Vergessene Bilder.
S. 153 ff.
"Betrachtet man die Motivwelt der späten Genremalerei in
ihrer Gesamtheit, so ist ihr hervorstechendstes Merkmal angesichts der
weitgehenden sozialen Veränderungen im Gefolge des Industrialisierungsprozesses
die nahezu ausschließliche Bevorzugung von Themen aus dem Bereich des
ländlichen Lebens. Noch zur Biedermeierzeit entsprach eine derartige von
bäuerlichen Lebensformen geprägte Darstellung des Volkslebens im großen und ganzen
den realen Lebensverhältnissen. Ökonomisch kam dem primären Sektor immer noch
die größte Bedeutung zu, die Anzahl der Großstädte war außerordentlich gering,
und selbst das Kleinstadtleben hatte in seiner Beschaulichkeit noch einen eher
ländlichen Charakter. Für das letzte Drittel des Jahrhunderts ist diese
Dominanz ländlicher Motive jedoch anders zu bewerten. Es ist die Zeit massiver
Urbanisierungsprozesse, technologisch-ökonomischer Umwälzungen und rastloser
Veränderungen der städtischen Lebensformen. All diese aktuellen Entwicklungen
werden von der Genremalerei so gut wie gar nicht thematisiert.
Das beharrliche Festhalten an der traditionellen Motivwelt der
Genremalerei erscheint vor dem Hintergrund der permanenten Umwälzungen als
Suche nach noch intakten traditionellen Lebenszusammenhängen. Damit hat sich
die Landmotivik in der Genremalerei von einer – wenn auch häufig verklärten –
Umwelt zu einer Gegenwelt entwickelt. Die Bilder deuten auf eine gewisse
Distanzierung vom bürgerlichen Leben, seinen Moden, seinen Umgangsformen,
seiner zivilisierten Gekünsteltheit. Sie zeigen die Einfachheit und
Natürlichkeit der Landbevölkerung als positives Gegenbild zum
zivilisationsüberfrachteten bürgerlichen Leben, das, wenn überhaupt, meist nur
in historischem Gewand zur Darstellung kommt. Jedoch verweisen gerade jene
Bilder, die Begegnungen zwischen Bürgern und Bauern zum Gegenstand haben, auf
den illusionären Charakter der ländlichen Gegenwelt. Der Bürger mag zwar vom
ursprünglichen und naturverbundenen Bauernleben schwärmen, gleichzeitig ist er
seiner städtischen Welt jedoch fest verhaftet. Der reale Bauer erscheint in der
Fremdheit seiner Lebensformen als unvereinbar mit der Realität des eigenen
Lebens. Die tatsächliche Kluft zwischen Bürgern und Bauern kommt auch in den
Bildern zum Ausdruck, welchen den Bauern in politischen oder auch anderen
gesellschaftlichen Situationen in seinem naiven Traditionalismus karikierend,
tölpelhaft und schrullig darstellen."
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