4. Motive
 

Doris Edler hat in ihrer Dissertation, Vergessene Bilder, die Motivwelt der Genremaler systematisiert und Kategorien gebildet. Werke typischer Vertreter der Genremalerei hat sie beispielhaft zugeordnet. 

Die Einteilung von Doris Edler mache ich mir zu eigen, um die Motivwelt von Otto Piltz zu strukturieren. Den einzelnen Motivgruppen stelle ich jeweils Zitate aus ihrem Werk voraus. 

An der Zuordnung der Beispiele zu den Kategorien ist zu erkennen, wo er seine Schwerpunkte setzte. Einige Werke lassen sich mehreren Gruppen zuordnen, andere wiederum finden in diesen Kategorien keine Entsprechung.

Zitate entnommen: Doris Edler, Vergessene Bilder. S. 153 ff.

"Betrachtet man die Motivwelt der späten Genremalerei in ihrer Gesamtheit, so ist ihr hervorstechendstes Merkmal angesichts der weitgehenden sozialen Veränderungen im Gefolge des Industrialisierungsprozesses die nahezu ausschließliche Bevorzugung von Themen aus dem Bereich des ländlichen Lebens. Noch zur Biedermeierzeit entsprach eine derartige von bäuerlichen Lebensformen geprägte Darstellung des Volkslebens im großen und ganzen den realen Lebensverhältnissen. Ökonomisch kam dem primären Sektor immer noch die größte Bedeutung zu, die Anzahl der Großstädte war außerordentlich gering, und selbst das Kleinstadtleben hatte in seiner Beschaulichkeit noch einen eher ländlichen Charakter. Für das letzte Drittel des Jahrhunderts ist diese Dominanz ländlicher Motive jedoch anders zu bewerten. Es ist die Zeit massiver Urbanisierungsprozesse, technologisch-ökonomischer Umwälzungen und rastloser Veränderungen der städtischen Lebensformen. All diese aktuellen Entwicklungen werden von der Genremalerei so gut wie gar nicht thematisiert.

Das beharrliche Festhalten an der traditionellen Motivwelt der Genremalerei erscheint vor dem Hintergrund der permanenten Umwälzungen als Suche nach noch intakten traditionellen Lebenszusammenhängen. Damit hat sich die Landmotivik in der Genremalerei von einer – wenn auch häufig verklärten – Umwelt zu einer Gegenwelt entwickelt. Die Bilder deuten auf eine gewisse Distanzierung vom bürgerlichen Leben, seinen Moden, seinen Umgangsformen, seiner zivilisierten Gekünsteltheit. Sie zeigen die Einfachheit und Natürlichkeit der Landbevölkerung als positives Gegenbild zum zivilisationsüberfrachteten bürgerlichen Leben, das, wenn überhaupt, meist nur in historischem Gewand zur Darstellung kommt. Jedoch verweisen gerade jene Bilder, die Begegnungen zwischen Bürgern und Bauern zum Gegenstand haben, auf den illusionären Charakter der ländlichen Gegenwelt. Der Bürger mag zwar vom ursprünglichen und naturverbundenen Bauernleben schwärmen, gleichzeitig ist er seiner städtischen Welt jedoch fest verhaftet. Der reale Bauer erscheint in der Fremdheit seiner Lebensformen als unvereinbar mit der Realität des eigenen Lebens. Die tatsächliche Kluft zwischen Bürgern und Bauern kommt auch in den Bildern zum Ausdruck, welchen den Bauern in politischen oder auch anderen gesellschaftlichen Situationen in seinem naiven Traditionalismus karikierend, tölpelhaft und schrullig darstellen."