Zitate
entnommen: Doris Edler,
Vergessene Bilder. S. 114 ff. und 122 ff.
"Bilder, die die junge
Liebe in ihren ersten Annäherungen darstellen, wobei der Bereich der
Sexualität aus dem Motivspektrum völlig ausgeschlossen bleibt. Frauen
lesen Liebesbriefe oder betrachten verträumt ein Bild ihres Geliebten,
das er seinen Zeilen beigelegt hat... Bei mündlichen Liebeserklärungen
sind die Mädchen immer leicht verschämt und senken die Augen Mitunter
wird die Zweisamkeit auch von einem Lauscher verfolgt. Auch
Eifersüchteleien und leichte Verstimmungen gehören in diese Motivgruppe.
...Ein
gängiger Topos war die Verbindung des Frühlings oder des Monats Mai mit
der jungen Liebe. Liest man Bildtitel wie Maientag, Maimorgen,
Frühling, Frühlingstag, so kann man daraus mit Sicherheit auf die
Darstellung eines jungen Liebespaares schließen..."
Während die
erblühende Frühlingslandschaft den Beginn einer Liebe bezeichnet, steht
der Winter mit seiner Kälte und der kargen, abgestorbenen Natur für die
Trennung eines Paares...
Obwohl
man das Leben der Landbevölkerung für freier und unbeschwerter hielt
und sich das Miteinander der Menschen dort natürlicher vorstellte,
wurden auch die Mädchen vom Dorf in geziertem oder feinem Benehmen
dargestellt, als hätten sie ebenso seltenen Kontakt zum anderen
Geschlecht wie ihre Altersgenossinnen aus bürgerlichem Hause..."
"Bereits
bei den Bildern, die das junge Liebesglück thematisieren, erscheint die
romantische Liebe durchaus nicht fern aller gesellschaftlichen
Konvention. Vielmehr folgt die glückliche Zweisamkeit durchgehend den
bürgerlichen Verhaltensnormen für den Umgang der Geschlechter
miteinander..."
"Ein
beliebtes Thema gab die Darstellung von heimlicher oder verbotener
Liebe ab. Die Existenz einer solchen Liebe trotz der ihr
entgegenstehenden gesellschaftlichen Schranken galt als Zeichen für
wahre Gefühle. Eine derartige Verbindung entsprach der romantischen
Vorstellung von der echten Vorbestimmung, die keine äußeren Hemmnisse
kennt, sondern nur die „Sprache des Herzens“, die zwei Menschen
zueinander bringt. Die Genrebilder, die das Thema der heimlichen Liebe
behandeln, zeigen meist aber diese Liebenden nicht etwa in ihrem Glück,
sondern im tiefsten Unglück. Thematisiert wird die Entdeckung der
Überschreitung des elterlichen Verbots oder die Strafe, die vor allem
wohlbehütete Mädchen trifft. ... Die Autorität des Vaters zeigen die
Genrebilder dieser Motivgruppe vor allem in seiner Hüterrolle
hinsichtlich der töchterlichen Sittsamkeit.
...
Bei den Genrebildern des späten 19.Jahrhunderts, die bewegende Inhalte
zeigen, fällt besonders die Art und Weise auf, in der Trauer, Leid,
Schreck, Unglück und Verzweiflung dargestellt werden. Den beiden
Geschlechtern werden feste Verhaltensmuster zugeschrieben. Eine
leidende Frau zeigt wesentlich mehr Pathos als ein Mann. Die Gesten der
Verzweiflung sind ausgeprägter, bewegter infolge der Ansicht, dass sich
eine Frau ihren Gefühlen viel leichter hingeben kann als ein Mann, der
beherrscht und überlegt handeln muss und seinen Schmerz zu verbergen
hat. Der trauernde Mann stützt allenfalls den Kopf in die Hände. Ein
Frau dagegen sinkt in die Knie, hebt die Hände in die Höhe oder
verbirgt weinend das Gesicht im Schoß. Einen Mann in einer solchen
Gemütsverfassung zu zeigen, war nicht vorstellbar. Die Motivgruppe der
unglücklichen Liebe zeigt daher durchgängig Frauen, die von ihren
Geliebten verlassen worden sind..."
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