In den Sommermonaten der Jahre 1879 bis
1884 hielt sich Otto Piltz mit seiner Familie in Cappel bei Marburg
auf. Während dieser Zeit entstand eine Serie von Bildern, die das
Dorfleben dieser Zeit in vielen Aspekten einfing.
"...Piltz und
Sturtzkopf aber mieteten sich in Cappel beim Gastwirt Ronimi ein, um
Menschen, Piltz vor allem Bauern zu malen. Ihn reizte das malerische
Innere - mit den Bauern im sonntäglichen Staat - beim Gottesdienst oder
anderen kirchlichen Feierm. So malte er z. B. die alten Cappeler Männer
auf der Empore während des Gottesdienstes, eine Taufe in der Kirche und
vielleicht als schönstes Bild von allen, die Frauen beim Vaterunser im
Gottesdienst. Im Dämmerlicht der mit Toten-Kränzen und Toten-Kronen
geschmückten Kirche stehen die Frauen zwischen den Bänken in voller
Andacht, die auf jedem Gesicht in besonderer Weise zum Ausdruck kommt.
Mit größter Liebe und schärfster Beobachtung jeder Einzelnen hat Piltz
hier den kirchlichen Vorgang so eindringlich geschildert, daß das Bild
auch den Beschauer zur Andacht zwingt. Alle mit größter Feinheit
gemalten Köpfe zeigen den einheitlichen oberhessischen Typus. Von
Bedeutung ist das Bild auch für die Trachtenkunde Oberhessens, denn es
zeigt die große Veränderung, die seit seiner Entstehung bis zum Jahre
1882 in der Kopfbedeckung der Frauen vor sich gegangen ist. Aus dem
damals sehr großen „Stülpchen“ und dem noch größeren „Schleier“ mit den
schönsten im Dorfe gestickten Verzierungen ist nur ein kleines flach
zusammengedrücktes Stülpchen übrig geblieben, das nur noch ein
Kopfschmuck ist, den man fertig in der Stadt kauft. Es ist sehr zu
beklagen, daß dieses wertvolle Bild für das Museum ebenso wenig wie das
in jeder Hinsicht als schöne Malerei und als Ausdruck, hervorragende
Bild eines Cappeler Kindes nicht erworben werden kann, weil beide
unverkäuflich sind. Von Cappeler Bildern zeigt die Ausstellung noch
eins von der Cappeler Mühle, der Steinmühle, auf dem neben dem Mühlrad
der Müllersbursche sich mit einem jungen Mädchen unterhält, und das
Bild einer Pferdekoppel. Von anderen in der Cappeler Zeit entstandenen
Bildern ist mir nur noch eins in Erinnerung: Die Familie des Cappeler
Schäfers Becker, der, wie auch heute noch der Cappeler Schäfer, in der
alten Schäferei am Glaskopf wohnte, beim Nachmittagskaffe. Piltz
erzählt mit großer Freude, wie köstlich es gewesen sei, beim Malen mit
anzusehen, wie den Kindern die Schnutznasen in die Kaffeetasse gelaufen
seien."
(Quelle: Nr. 56 Oberhessische Zeitung,
Marburg a.d.L. Dienstag, den 6.März 1938 Carl Bantzer 1857-1941
über Otto Piltz, Ausstellung hessischer Künstler März 1938 in Marburg)
Zu den Bildern in der Cappeler Kirche
schreibt Waldemar Küther.